Persönliche Oscar-Vorschau 2019 von Alexandra Klim

Meine Oscar-Vorschau 2019 – Wer gewinnt und wer geht leer aus?

Neues Jahr, neue Oscar-Krise. Nach #OscarsSoWhite oder #TimesUp ist es diesmal #OscarsSoMoney. Laut Variety kann ein Werbespot während der Live-Übertragung bis zu 2,6 Millionen US Dollar kosten – wenn die Show gute Quoten einbringt. Und hier liegt das Problem. Noch nie war die Zuschauerquote niedriger als bei der fast vierstündigen Academy-Awards Show im letzten Jahr.

Nach diesem Quotendesaster kam die Akademie dann auf die eher verzweifelt wirkende Idee, die neue Kategorie Best Popular Film einzuführen, was aber vernünftigerweise schnell wieder ad acta gelegt wurde. Auf jeden Fall will man diesmal aber im 3 Stunden Rahmen bleiben, in erster Linie um die junge und ungeduldige Zielgruppe 14–49 nicht zu vergraulen. Auf einen Moderator wird ja schon mal (wenn auch eher unfreiwillig) verzichtet.

Die Oscar-Vorschau 2019 – hinter den Kulissen

Außerdem werden die Nominierten im Vorfeld quasi gezwungen, ihre potenziellen Dankesreden kurz zu halten. Die neue Idee, einige der Preiskategorien in die Werbepausen zu verschieben, statt sie live zu übertragen, sorgte unter Hollywoods Filmschaffenden für Aufruhr. Also ruderte die Academy auch hier wieder zurück. Alles in allem also kein so glatter Auftakt für die Oscars 2019. Am Ende ist die Oscar-Nacht allerdings immer für die eine oder andere Überraschung gut. Vielleicht zaubern die Veranstalter in letzter Minute ja doch noch einen Gastgeber aus dem Hut?

Ich jedenfalls habe mich wie jedes Jahr durch den Stapel der nominierten Filme gearbeitet und hier sind meine Voraussagen für die Preisträger. Am Sonntagabend (bzw. Montagmorgen für die meisten von Euch in Europa) wissen wir, wie richtig oder falsch ich damit liege.

Bester Film

In der Königskategorie ist das Rennen in diesem Jahr offener als je zuvor. Interessanterweise ist einer der Hauptfavoriten für den Besten Film auch gleichzeitig als bester nicht-englischsprachiger Film nominiert. Das mexikanische Schwarz-Weiß-Drama „Roma“ wird mit 10 Nominierungen insgesamt wohl einer der Haupt-Abräumer des Oscar-Abends werden. Allerdings ist es in der 91-jährigen Geschichte der Academy Awards noch nie passiert, dass der Best-Foreign-Language-Gewinner auch als Bester Film gewinnt.

Außerdem ist „Roma“ eine Netflix-Produktion und somit immer noch ein Dorn im Auge einiger Mitglieder der älteren Hollywood-Studio-Elite. Auf der anderen Seite hat die Academy heute mehr nicht-amerikanische Mitglieder als je zuvor. Vielleicht ist sie also bereit, Geschichte zu schreiben und der Top-Preis geht an einen Film mit Untertiteln.

Geradezu bizarr ist übrigens, wie Damien Chazelles herausragendes Neil-Armstrong-Biopic von der Academy ignoriert wurde. „First Man“ hätte definitiv auf die Nominierten-Liste gehört.

Wird gewinnen: „Green Book“

Mein Favorit: „Roma“

Sträflich vernachlässigt: „First Man“

Beste Regie

Viva Alfonso Cuarón! Der zweifache Oscargewinner (für „Gravity“, 2013) hat seinen dritten Goldjungen schon so gut wie in der Tasche. Sein poetisches und intimes Drama über die beiden Frauen, die ihn in den 70er-Jahren in Mexico City aufgezogen haben, hat nicht nur bei mir einen unvergesslichen Eindruck hinterlassen. Irgendwie ist Cuarón hier ein absolut meistervoller Mix aus Autobiografie, Geschichtsfilm, Sozialstudie und persönlicher Tragödie gelungen.

Überraschenderweise war Bradley Cooper für sein wunderbares Regie-Erstlingswerk „A Star Is Born“ nicht nominiert. Vielleicht hat die Academy eine Abneigung gegen Filmstars, die Regie führen, entwickelt. Erinnert Ihr Euch an Ben Afflecks Regie-Debüt „Argo“, das 2013 als Bester Film gewonnen hat? Auch Affleck wurde damals als Regisseur nicht nominiert, obwohl er zuvor alle anderen Preise in dieser Kategorie gewonnen hatte. Ich hätte auch gerne die Regisseurinnen Debra Granik („Leave no Trace“) and Marielle Heller („Can You ever forgive me?“) im Oscar-Rennen gesehen! Kann der Academy-Boys-Club mal erklären, warum wieder nur männliche Regisseure nominiert waren?

Wird gewinnen: Alfonso Cuarón für „Roma“

Mein Favorit: Alfonso Cuarón

Sträflich vernachlässigt: Debra Granik für „Leave no Trace“

Marielle Heller für „Can You ever forgive me“

Beste Hauptdarstellerin

Für Glenn Close lief es in dieser Award Saison ziemlich rund. Neben dem Golden Globe im Januar hat sie unter anderem auch schon den diesjährigen BAFTA und Screen Actors Guild Award abgeräumt. Wie sie in „The Wife“ eine Frau verkörpert, die nach Jahrzehnten aus dem Schatten ihres undankbaren Mannes bricht, ist reine Perfektion. Nach 7 Nominierungen seit 1983, wäre es diesmal wirklich an der Zeit, dass es mit dem ersten Oscargewinn ihrer langen Karriere klappt.

Die Nominiertenliste gilt allerdings als eine der besten seit Jahren. Und meine persönliche Favoritin ist Lady Gaga. Sie schauspielert genauso gut, wie sie singt und das hat einiges zu sagen. Mit ihrer ersten Hauptrolle in „A Star Is Born“ hat sie sich jedenfalls direkt in mein Cineasten-Herz gespielt.

Wird gewinnen: Glenn Close in „The Wife“

Meine Favoritin: Lady Gaga in „A Star is born“

Bester Hauptdarsteller

Rami Maleks Tour-de-Force-Darstellung des Rock-Gotts Freddy Mercury in „Bohemian Rhapsody“ überstrahlte einfach alles andere in diesem Jahr. Deshalb glaube ich, dass Malek am Sonntag seinen ersten Oscar mit nach Hause nimmt. Das Rennen gegen Christian Bale als ehemaliger US-Vizepräsident Dick Cheney wird allerdings eng.

Obwohl „Vice“ nicht zu meinen Lieblingsfilmen gehört, war Bale doch ein absolutes Highlight als Darth Vader der US Politik. Er hat definitiv neue Standards als Chamäleon gesetzt. Nachdem er für seine erste Oscar-Rolle im Boxer-Drama „The Fighter“ 20 Kilo abnahm, hat er diesmal für „Vice“ ebensoviel zugelegt. Wie auch immer, für mich hat Rami Malek in diesem Jahr die Nase vorn.

Wird gewinnen: Rami Malek in „Bohemian Rhapsody“

Mein Favorit: Rami Malek

Beste Nebendarstellerin

Nach 6 Oscar-Nominierungen ohne Gewinn, wäre eigentlich Amy Adams an der Reihe. Für ihr Portrait der Cheney-Ehefrau Lynne in der Politsatire „Vice“ stehen ihre Chancen nicht schlecht. Trotzdem denke ich, dass Regina King als Gewinnerin nach Hause gehen wird. Ihre Darstellung der kämpferischen Mutter in Barry Jenkins „If Beale Street Could Talk“ war emotional höchst beeindruckend. Vermisst habe ich unter den Nominierten übrigens Emily Blunt für „A Quiet Place“.

Wird gewinnen: Regina King in „If Beale Street could talk“

Meine Favoritin: Amy Adams in „Vice“

Sträflich vernachlässigt: Emily Blunt in „A Quiet Place“

Bester Nebendarsteller

Wo bitte ist Timothée Chalamet für seine Rolle in „Beautiful Boy“? Chalamet hat eine der beeindruckendsten Darstellungen des Jahres geliefert, fehlt aber komplett auf der Nominiertenliste.
Also wird wohl Mahershala Ali zwei Jahre nach „Moonlight“ seinen zweiten Oscar mit nach Hause nehmen. Er war als Dr. Don Shirley in „Green Book“ wie immer perfekt. Meiner Meinung nach gehört er diesmal aber eher in die Kategorie der besten Hauptdarsteller.

Sam Elliott hätte gute Chancen gehabt, wenn er ein paar mehr Szenen in „A Star Is Born“ hätte spielen dürfen. Ich konnte kaum glauben, dass dies die erste Nominierung für den komplett unterschätzten 74-jährigen Schauspieler ist.

Wird gewinnen: Mahershala Ali in „Green Book“

Mein Favorit (leider nicht nominiert): Timothée Chalamet in „Beautiful Boy“

Beste Kamera

Eigentlich wollte Alfonso Cuarón wieder seinen brillanten und viel erprobten Kameramann Emanuel Lubezki für „Roma“ an Bord holen. Als dieser aus Termingründen nicht mehr zur Verfügung stand, übernahm Cuarón kurzerhand selbst den Job und kreierte Schwarz-Weiß-Bilder von solcher Klarheit und emotionaler Tiefe, dass es eigentlich unmöglich scheint, dass hier einer der anderen Nominierten auch nur in die Nähe des Preises kommen könnte.

Warum aber Linus Sandgren für seine faszinierende Kamera-Arbeit in „First Man“ nicht wenigstens nominiert wurde, ist mir ein Rätsel. Auch Rachel Morrison, übrigens die erste Frau die je in dieser Kategorie nominiert wurde (für „Mudbound“, letztes Jahr), wurde diesmal leider für ihre epische Leistung in „Black Panther“ übersehen.

Mein Favorit: Alfonso Cuarón für „Roma“

Wird gewinnen: Alfonso Cuarón

Sträflich vernachlässigt: Linus Sandgreen für „First Man“

Rachel Morrison für „Black Panther“

Bester nicht-englischsprachiger Film

Auch wenn ich Florian Henckel von Donnersmarck für seinen deutschen Beitrag „Werk ohne Autor“ („Never Look Away“) von Herzen seinen zweiten Oscar gönnen würde, ist und bleibt „Roma“ mein Favorit. Wenn nicht sogar als Bester Film ist dem mexikanischen Drama doch zumindest der Gewinn als Bester nicht-englischsprachiger Film ziemlich sicher.

In einem Jahr ohne „Roma“ würde Pawel Pawlikowskis polnische Liebesgeschichte „Cold War“ gewinnen, dicht gefolgt von Hirokazu Kareedas herzzerreißendem Familiendrama „Shoplifters“ aus Japan. Aber es ist ja ein Jahr mit „Roma“.

Mein Favorit: „Roma“

Wird gewinnen: „Roma“

Lobenswerter Zweiter: „Cold War“ von Pawel Pawlikowski

Lobenswerter Dritter: „Shoplifters“ von Hirokazu Kareeda

Bester Song

Lady Gaga und Bradley Cooper zusammen auf der Bühne des Hollywood Dolby Theaters? Gemeinsam ihre mit einem Grammy ausgezeichnete Powerballade vor einem weltweiten Millionenpublikum singend? Dies würde die Academy sicher nicht in die Werbepause verschieben. Wenn „A Star Is Born“ nur in einer einzigen Kategorie der insgesamt acht Nominierungen gewinnen wird, dann in dieser!

Mein Favorit: „Shallow“ von Lady Gaga & Bradley Cooper

Wird gewinnen: „Shallow“

Und außerdem …

Bester Dokumentarfilm

Mein Favorit: „Free Solo“

Wird gewinnen: „RBG“

Bester animierter Film

Mein Favorit: „Isle Of Dogs“

Wird gewinnen: „Spider-Man: Into the Spider-Verse“

Drei Filme, die mir bei den Nominierungen fehlen

Allgemein vermisst habe ich übrigens die Filme „Eighth Grade“, „First Reformed“ und „Beautiful Boy“. Deshalb möchte ich Euch auch nicht die Trailer der beiden erstgenannten vorenthalten. Den Trailer zu „Beautiful Boy“ seht Ihr oben schon bei den besten Nebendarstellern.

„Eighth Grade“

„First Reformed“

Wer sind Eure Favoriten für die Oscars 2019? Wer sollte diesmal gewinnen? Welche Nominierung überrascht Euch und welche findet Ihr daneben?

Ich freue mich wie immer über Euer Feedback.

Happy Oscar-Weekend & bis bald!
Eure Alexandra Klim

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