Kritische Experten Oscar-Verleihung 2018

Das Flüstern des Wassers und #MeToo – Oscars 2018

Filmpreis-Verleihungen geraten immer mehr zur Bühne für politische Statements und so waren auch die Oscars 2018 mehr als das gewöhnliche Schaulaufen der Hollywood-Stars. Mehr als ein Catwalk für atemberaubende Abendkleider. Und mehr als ein sehen und gesehen werden. In Zeiten, in denen tagtäglich von der Verrohung der Filmbranche zu lesen ist, ändert sich die Sichtweise auch auf solch ein Event. Auch meine eigene. Als Filmschaffende lässt mich all das natürlich nicht unberührt. Dass die Oscarverleihung in diesem Jahr einen runden Geburtstag feierte, geriet fast zur Nebensächlichkeit.

Die Academy Awards

90 Jahre Academy Awards! Dass die erste Preisverleihung der US-amerikanischen Filmindustrie einmal klein angefangen hat, kann man sich bei den heute überdimensionalen Ausmaßen des Großevents kaum noch vorstellen. Bei der Premiere 1929 gab es überschaubare 270 geladene Gäste, die sich aus Schauspielern, Regisseuren und Produzenten zusammensetzten. Nach der 15 Minuten langen Zeremonie wandten sich alle Anwesenden wieder dem Small Talk und Dinner zu. Zu seinem Rufnamen Oscar kam die 34 Zentimeter hohe und von allen so heiß begehrte Trophäe erst 1939 und 40 Jahre später wurde der inoffizielle Name markenrechtlich geschützt. Damals hätte es sich bestimmt niemand vorzustellen gewagt, dass die Oscars einmal der bedeutendste Filmpreis der Welt sein würden und Millionen Menschen weltweit Anteil daran nehmen.

Oscar und die Frauen

Sicher kein leichtes Thema. Fakt ist jedenfalls, dass die Oscarverleihung auch im 21. Jahrhundert immer noch eine von Männern dominierte Veranstaltung ist. 77 Prozent aller Nominierten waren auch in diesem Jahr wieder Männer. Mit Rachel Morrison war 2018 immerhin erstmals eine Kamerafrau nominiert. Ob dies ein Trend für die nächste Award-Saison wird, bleibt zu hoffen. Die Diskussionen um die Geschlechtergleichheit in der Filmbranche wird jedenfalls nicht abebben. Gewonnen hat Rachel Morrison den Oscar im Übrigen nicht, aber auf dem roten Teppich kam sie zu Wort:

Ein Umdenken wird trotz der starken Medienpräsenz von #MeToo und Time’s Up während der letzten Monate nicht von heute auf morgen stattfinden. Die alten verkrusteten Strukturen in Hollywood kommen aber so langsam in Bewegung und ich kann speziell hier in Los Angeles tatsächlich etwas frischen Wind verspüren. Ich hoffe, dass sich künftig vernünftig mit diesem Thema auseinandergesetzt wird, ganz gleich, ob Produzent oder Schauspieler. Es sollte Normalität und Selbstverständlichkeit sein, dass das kreative Schaffen von Frauen adäquat wertgeschätzt wird. Doch selbst die Erkenntnisse des eher rudimentären Bechdel-Tests, der nicht die Qualität eines Filmes beurteilt, sondern den Status von weiblichen Filmrollen, verdeutlichen immer noch, dass die Zeit für einen Wandel längst überfällig ist.

Oscars 2018 … And the winners are

Größere Überraschungen gab es diesmal keine. Gefreut hat mich, dass mein Favorit, The Shape of Water, insgesamt vier Oscars abgeräumt hat, darunter auch den wichtigsten Preis als Bester Film. Guillermo Del Toro durfte für sein inspirierendes Märchen über verliebte Aussenseiter den Preis für die Beste Regie mit nach Hause nehmen. Was Del Toro mit einem für Hollywood-Verhältnisse bescheidenen Budget von 20 Mio USD erschaffen hat, ist bewundernswert. Die Entwicklung der Geschichte und das Design des Amphibien-Mannes hat der Regisseur aus eigenen Mitteln finanziert und sein komplettes Gehalt ist in den Film geflossen. The Shape of Water ist der erste Fantasy-Film seit 14 Jahren, der den Oscar als Bester Film gewinnt.

Erwartungsgemäß gab es einen Oscar für Frances McDormand als beste Hauptdarstellerin, die die Rolle der kämpferisch trauernden Mutter in Three Billboards Outside Ebbing, Missouri grandios verkörpert. Nach 1997 (Fargo) der zweite Oscar für diese großartige Schauspielerin und mit ihrer Rede sorgte sie auch diesmal wieder für einen der denkwürdigsten Oscar-Momente.

Ebenfalls keine Überraschung in der Kategorie Bester Haupdarsteller: Gary Oldman gewann seinen ersten Oscar für die bombastische Verkörperung des britischen Premierminister Winston Churchill in Die dunkelste Stunde. In seiner Rede bedankte er sich bei Churchill und seiner 99 Jahre alten Mutter „Mama, ich bringe den Oscar nach Hause“.

Es war eine große Nacht für Lateinamerika. Disney/Pixars mexikanische Celebration Coco gewann gleich zweimal, als Bester Animierter Film und für den Besten Song “Remember Me“. Chile konnte sich über seinen ersten Oscargewinn in der Kategorie Bester Fremdsprachiger Film freuen. Mit A Fantastic Woman gewann übrigens erstmals ein Film mit einer transsexuellen Schauspielerin und einer Transgender-Storyline. In dem Film geht es um die Auseinandersetzung mit den Vorurteilen von Transsexualität und den Kampf um die Akzeptanz als Mensch. Bis dato wurden Transgender-Rollen in Hollywood-Filmen immer von Darstellern besetzt, die selbst nicht trans sind. Vielleicht findet auch hier ein Umdenken statt.

Greta Gerwig konnte zwar vier Nominierungen für Lady Bird feiern, inklusive die erst fünfte Nominierung für eine weibliche Regisseurin, ging aber am Ende mit leeren Händen nach Hause. Zum Trost landete sie auf dem Cover des Time Magazines und über ihre lange und erfolgreiche Karriere müssen wir uns sicher keine Sorgen machen.

Politik und Jimmy Kimmel

Politik hat in diesem Jahr ganz klar die die Wahl des besten Dokumentarfilms beeinflußt. Regisseur Bryan Fogels Doping-Doku Icarus reitet auf der Welle des Russischen Olympia-Skandals. Der 5 Millionen USD Netflix-Deal beim Sundance Filmfestival im letzten Jahr war übrigens einer der größten für einen Non-Fiction-Film und brachte Netflix den zweiten Oscar-Gewinn nach White Helmets, dem Dokumentar-Kurzfilm Gewinner des letzten Jahres. Berührende Geste: Bryan Fogel widmete seinen Oscar dem russischen Wissenschaftler Dr. Grigory Rodchenkov, durch den er Russlands staatsfinanziertes Olympisches Doping-Programm aufdecken konnte. „Our great whistleblower who lives in mortal danger“. Er erinnerte das Millionen-Publikum außerdem an „die Wichtigkeit, die Wahrheit zu berichten, heute mehr als je zuvor“.

Moderator Jimmy Kimmels Reaktion auf den Gewinn Icarus war Gold: „Now we know Putin didn’t rig this competition, right?“

Erwartungsgemäß konnte sich Kimmel auch die ein oder andere Spitze zum Missbrauchsskandal in der Traumfabrik des Films nicht verkneifen. „Oscar ist derzeit der beliebteste und am meisten respektierte Mann. Er hält seine Hände dort, wo man sie sehen kann. Er ist nie unflätig, und am wichtigsten: absolut kein Penis. Das ist ein Mann, von dem wir mehr in dieser Stadt brauchen.“ Mit dieser Anspielung auf die Vorwürfe gegen Filmproduzent Harvey Weinstein erntete Kimmel tosenden Applaus.

Allgemein waren die Reaktionen zur Moderation der Oscars aber eher gemixt. Mein Gefühl sagt mir, dass wir Kimmel im nächsten Jahr nicht ein drittes Mal als Host auf der Oscar Bühne sehen werden.

Nach den Oscars ist vor den Oscars.

Ich freue mich auf Eure Meinung und Euer Feedback. Habt ihr die Oscars 2018 live verfolgt? Welcher Moment war für Euch der Beste?

Eure Alexandra Klim

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